„Kapong“ – das Wort gefällt mir irgendwie. Ein Ortsname. Irgendwo in Thailand. Keiner meiner Freunde, nicht einmal Uwe, ein Landeskenner, hat jemals davon gehört. Auch im Weltatlas ist der Ort nicht zu finden. „Wer schaut denn noch in einen Atlas“, muss ich mich auslachen lassen. „Internet, Google Earth, ist heute angesagt.“ – Ja, natürlich, weiß ich auch. Und dort werde ich fündig. Im Süden Thailands, nur zwei Fingerbreit vom Meer entfernt. In der Höhe von Khuk Khak, aber ohne direkte Straßenverbindung zur Küste. „Kapong“, ich lasse das Wort auf der Zunge zergehen. Passt irgendwie zu mir: kaputt – kapiert – Kapong. In Kapong werde ich ein anderes Leben beginnen. Ich war eine Karrierefrau, arbeitete 25 Jahre lang als Marketingchefin für große Lebensmittelkonzerne. Ein aufreibender Job, aber er hat mir Spaß gemacht. Ich kam viel in der Welt umher, betreute Kunden in England, der Türkei, Russland und Schweden. Auch in den USA war ich häufig eingesetzt. Ich engagierte mich für meine jeweilige Firma, gab mein Bestes, war erfolgreich. Dennoch fragte ich mich immer häufiger, welchen Sinn diese Arbeit meinem Leben gebe. Wurde auch nur ein Mensch glücklicher, wenn ich eine neue Schokoladensorte entwickelte oder wenn er meinen neuesten Werbespot sah, der ihn gekonnt verführte, noch mehr Süßigkeiten zu verzehren? Ja, ich verdiente gut, und Geld ist immer ein Anreiz. Natürlich gefiel es mir, eine schöne Wohnung zu haben, shoppen zu gehen, mit diesem Geld die Mode der Saison zu kaufen, immer schick auszusehen, ein tolles Auto zu fahren. Aber sollte das alles sein? Könnte ich meine Fähigkeiten und Erfahrungen nicht einsetzen, um Menschen zu helfen, die nicht das Glück hatten, wie ich in der Geborgenheit einer intakten Familie aufzuwachsen, in einer Umgebung, die ihre Begabungen förderte? …
… Doch an den meisten Abenden ist es wie heute. Ich bin zwar ziemlich kaputt, aber auch recht zufrieden. Schon am Morgen, als ich aus meinem Zimmer kam, wurde ich mit einem freudigen „Good morning, Khun Sabine, how are you?“ begrüßt. Während des Mittagessens schenkte mir Tiger ein selbstgemaltes Bild, und heute Abend verkündeten mir die Jungen voller Stolz, wie viele Tore sie beim Fußballspiel geschossen hätten.
Wir hatten zwei lange Meetings über komplizierte Themen, wie den Englischunterricht und den Wochenplan für 120 Schüler, ihre Lehrer und Betreuer. Auch haben wir den Stundenplan für das Nachmittagsangebot zusammengestellt. Ich habe mich sehr gefreut über die Wertschätzung, die mir die Mitarbeiter entgegenbrachten, und vor allem darüber, dass sie das Vertrauen hatten, Ideen einzubringen, ihre eigene Meinung zu sagen und sogar Kritik zu äußern. Das wäre vor zwei Jahren noch nicht möglich gewesen.
Mittlerweile lebe ich schon länger als drei Jahre in Kapong. Hier fühle ich mich zuhause. In meinem Zimmer unterm Dach, mitten in der Schule, habe ich es mir gemütlich eingerichtet. An die Hitze, die ständig anwesenden Ameisen und Geckos habe ich mich längst gewöhnt. Ich lasse immer die Fenster offen, fühle mich in der Natur und das Gezirpe der Grillen wiegt mich jede Nacht in den Schlaf.
Hier bin ich durch Höhen und Tiefen gegangen. Das Positive jedoch, das, was ich gelernt und erreicht habe, ist einfach überwältigend. Und wenn ich das fröhliche Lachen der Kinder höre und in ihre strahlenden Augen sehe, dann weiß ich: Ich habe es richtig gemacht, hier gehöre ich hin, in Yaowawit habe ich alles, was ich brauche, hier kann ich ein erfülltes Leben führen. Anmerkung: Die Fakten für diese Geschichte wurden in Yaowawit gesammelt und literarisch ausgeschmückt. Wenn sich ein Leser angesprochen fühlt, als Freiwilliger vor Ort zu arbeiten, die Patenschaft für ein Kind zu übernehmen, etwas zu spenden oder seinen Urlaub in dem Trainingshotel zu verbringen, kann er sich informieren unter www.yaowawit.com.