Leseproben

aus dem Erzählband
Geschichten aus THAILAND

von Günther Ruffert, erschienen im HELLER VERLAG

Die Obrigkeit (Auszug)

...Hansi war als Aussteiger von Deutschland nach Phuket gekommen, hatte sich von dem mitgebrachten Geld zwei Motorräder gekauft und betrieb nun an der Uferstraße in Patong-Beach einen Motorradverleih für Farangs. Da er selbst als Ausländer mit Touristenvisum in Thailand keine Tätigkeit ausüben durfte, lief das Geschäft auf den Namen seines Thai-Freundes. Wenn nun ein Farang ein Motorrad mieten will, muss er in der Regel seinen Pass vorlegen, aus dem dann alle Angaben notiert werden und einen vorgedruckten Mietvertrag unterschreiben. Eines Tages hatte Hansis Thai-Freund nun das beste Stück, eine 250er Suzuki, an einen Thai verliehen, ohne sich irgend etwas zu notieren. Als der Knabe nun, wie gleich zu vermuten war, das Motorrad nicht zurückbrachte, blieb Hansi nichts anderes übrig, als die Maschine bei der Polizei als gestohlen zu melden, ohne viel Hoffnung, sie jemals wiederzusehen.

Völlig unerwarteterweise erschien nach ein paar Wochen ein Polizist in Hansis Wohnung, um ihm mitzuteilen, dass die gestohlene Maschine aufgefunden worden war und in der zuständigen Polizeistation stand. Am nächsten Tag zog Hansi also mit seinem Kraftfahrzeugbrief und den Kaufunterlagen zur Polizeistation, um sein Eigentum wieder in Empfang zu nehmen. Tatsächlich stand seine Maschine auch dort in einem Schuppen, zwar um 8.000 Kilometer älter, aber sonst ziemlich unbeschädigt. Die Polizei hatte sie bei einer Razzia im Zuge einer Rauschgiftfahndung zufällig entdeckt und kurzerhand konfisziert, da der Verdächtige den Kauf der Maschine nicht nachweisen konnte. Ein fleißiger Polizist hatte dann beim Vergleich der Motornummer mit der Liste der als gestohlen gemeldeten Fahrzeuge tatsächlich herausgefunden, wem das gute Stück gehörte. Als Hansi nun aber auf der Polizeistation erschien und die Maschine unter Vorlage seiner Unterlagen wieder mitnehmen wollte, belehrte ihn ein freundlicher, einige Worte englischsprechender Polizist, dass da erst noch ein Formular auszufüllen sei, natürlich in Thai. Er wollte ihm aber gerne dabei helfen, nur nicht jetzt, sondern erst nach Feierabend.

Hansi, der den guten Rat eines schon besser mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Bekannten, bei der Polizei einfach 3.000 Baht auf den Tisch zu legen, als unmoralischen Bestechungsversuch zurückgewiesen hatte, denn schließlich handelte es sich doch nur um sein unbestrittenes Eigentum, merkte jetzt langsam, worauf die Sache hinauslief. Was blieb ihm aber anderes übrig, er lud den freundlichen Polizisten also für den Abend in ein von diesem vorgeschlagenes Restaurant ein, um bei einem kleinen Mahl mit Umtrunk die lästigen Formalitäten zu erledigen. Er war allerdings ziemlich überrascht, als er abends merkte, dass es sich bei dem vorgeschlagenen Restaurant um eines der besten und natürlich auch teuersten Häuser am Ort handelte. Als er in dem Lokal ankam, war der freundliche Polizist noch nicht da, erschien aber ein paar Minuten später, sagte dass er noch mal kurz zur Polizeistation müßte und fragte Hansi höflich, ob er evtl. auch noch ein paar Kollegen mitbringen dürfte. Was blieb Hansi also anderes übrig als mit saurem Gesicht "ja" zu sagen, denn er wollte schließlich sein Motorrad wiederhaben. Bevor der freundliche Polizist nun ging, um seine Kollegen zu holen, sprach er noch ein paar Worte mit dem Wirt, der Hansi daraufhin in ein leeres Nebenzimmer des Lokals komplimentierte. Langsam schwante Hansi Schlimmes. Er fiel aber fast vom Stuhl, als nach einer Viertelstunde fröhlich 15 Polizisten hereinmarschierten und an seinem Tisch Platz nahmen. Und dann trug der Wirt alles auf was gut und teuer war: Langusten und Krebse, verschiedene Sorten gebratenes Fleisch, Reis und Gemüse und zum Schluß verschiedene Süßspeisen. Getrunken wurde auch kräftig, und zwar nicht der landesübliche Thai-Schnaps, sondern importierter Whisky und ebensolche Biere in großen Flaschen. Es war eine richtig schöne Party, nur nicht für Hansi, der mit Grausen an die Rechnung dachte. Als er den freundlichen Polizisten schüchtern an den ursprünglichen Zweck der fröhlichen Veranstaltung erinnerte, nämlich an das gemeinsame Ausfüllen des Formulars, war dieser der Meinung, dass man sich den schönen Abend doch nicht durch geschäftliche Dinge verderben sollte, das könne man auch noch am nächsten Tag auf der Polizeistation erledigen.

Als zum Schluß endlich die Rechnung kam, belief sie sich auf knapp 17.000 Baht (ca. 400 EUR). Da Hansi soviel Geld natürlich nicht bei sich hatte, erklärte sich der freundliche Polizist aber dem Wirt gegenüber bereit, für Hansi zu bürgen. Er hatte ja schließlich noch das Motorrad als Pfand. Beim Abschied bedankte sich jeder Polizist einzeln höflich für die Bewirtung Am nächsten Morgen zog Hansi also zur Bank, plünderte sein Konto, zahlte die Rechnung des fröhlichen Abends und konnte dann, gegen Vorlage der bezahlten Rechnung, nun endlich seine Maschine im Empfang nehmen. Von dem bewußten Formular war überhaupt nicht mehr die Rede...



Die Prostitution (Auszüge)

...Nun zum nächsten falschen Klischee, das uns von sensationshungrigen Medien aufgetischt und vor allem von Dritte-Welt-Gruppen und Frauenaktivistinnen entsprechend ausgeschlachtet wird. Es handelt sich um die Behauptung, der Sextourismus trage die Hauptschuld an der Prostitution in Thailand im allgemeinen und an der Kinderprostitution im besonderen. Wenn hierzu manchmal Zahlen von mehreren Millionen thailändischen Frauen genannt werden, die angeblich im horizontalen Gewerbe mit Sextouristen ihren Lebensunterhalt verdienen, so ist das nicht nur schlicht Unsinn, sondern eine pauschale Beleidigung der Thai-Frauen. Hier wird von dem Treiben in einigen Touristenzentren, wo tatsächlich die Prostitution blüht, auf ganz Thailand geschlossen. Das ist schließlich genauso unsinnig, wie von dem Betrieb auf der Hamburger Reeperbahn auf die Moral aller deutschen Frauen zu schließen. Nicht ganz unschuldig daran ist unsere Sensationspresse, die sich diesem Thema immer wieder mit Wonne widmet.

Nun ist die Prostitution - obwohl in Thailand im Gegensatz zu Deutschland seit Jahrzehnten gesetzlich verboten und strafbar - tatsächlich ein prosperierendes Geschäft im Lande. Das war sie aber schon lange bevor im Vietnamkrieg Tausende amerikanische Soldaten auf R&R (Rest and Recreation)-Kurzurlaub nach Bangkok und Pattaya eingeflogen wurden. Nach dem Ende dieses Krieges sprang dann sogleich Neckermann in die Bresche, weshalb heute in Thailand auch noch allgemein der Begriff Neckermann für das steht, was unsere Medien als Sextourismus anprangern...

...Ein anderes Klischee ist, dass die Mädchen, die in diesen Bars arbeiten, hierzu gezwungen seien und dies nicht aus freiem Willen täten. Natürlich besteht ein gewisser wirtschaftlicher Druck, denn die meisten dieser jungen Mädchen hängen ja nicht nachts an den Bars herum, weil sie nicht schlafen können, sondern weil es die einfachste und oft auch die einzige Möglichkeit ist, für sich und ihre meist vom Vater verlassenen Kinder sowie für die überwiegend in den ärmsten und trockensten Gebieten Thailands wohnenden Familien den Unterhalt zu verdienen. Man muss aber die Hintergründe kennen, um urteilen oder gar verurteilen zu können. Während in Bangkok....



Die Geister (Auszüge)

.... Geister sind die eigentlichen Besitzer eines jeden Ortes. Jeder Mensch der sich an einem Ort aufhält oder gar dort arbeiten und Geschäfte machen will, tut gut daran, dem örtlichen Geist seinen Respekt zu erweisen. Das erfordert nicht etwa eine innere Überzeugung oder gar Anbetung des Geistes. Geister sind im Grunde den Menschen nicht unähnlich, das heißt leicht zu täuschen. Es reicht völlig aus, wenn man dem Geist ein kleines Geschenk bringt, z. B. Räucherstäbchen, ein paar Früchte oder einen kleinen Teller Reis und dabei ein ernsthaftes Gesicht macht. Was man dabei denkt oder empfindet ist völlig unwichtig. Hauptsache ist, man setzt eine möglichst unterwürfige und Verehrung ausdrückende Miene auf. Wichtig ist auch, dass man herausfindet, welche Opfergaben der Geist am liebsten hat. So gibt es verschiedene Standardgaben, die jeder Geist mag wie etwa Blumen und Räucherstäbchen. Manche Geister haben aber auch ganz spezielle Gelüste. So liebt der Geist des in der Nähe des Königspalastes gelegenen Stadttempels von Bangkok besonders gebratene Schweinsköpfe. Folglich werden auf Tischen vor dem Tempel für denjenigen, der Grund hat, dem Geist für die Erfüllung eines großen Wunsches besondere Dankbarkeit zu erweisen, reihenweise gebratene Schweinsköpfe feilgeboten. Für Touristen ein etwas makaberer Anblick...

... Wenn wir mal abends mit der Familie und vielleicht ein paar Nachbarn vor dem Haus sitzen, um eine Flasche Mekhong-Whisky leer zu machen, die ich spendiert habe, dann passiert es schon mal, dass die Flasche leer, die versammelte Gesellschaft aber noch nicht voll ist. Dann gehe ich einfach zum Hausaltar, frage den Hausgeist in geziemender Form, ob er mir eine Flasche von seinem Schnaps leiht (er hat noch nie nein gesagt) und dann kann die Party weiter gehen. Natürlich muss ich dann sehen, dass der Geist seine Flasche am nächsten Tag mit Dank und möglichst mit einem kleinen Opferteller voll Obst oder Blumen wieder zurückbekommt. Ich habe allerdings in den vielen Jahren das Rätsel noch nicht lösen können, was tatsächlich mit den Flaschen geschieht, denn obwohl von Zeit zu Zeit ständig neue hingestellt werden, bleibt die Gesamtzahl auf dem Altar mit etwa 5 Flaschen immer gleich. So ganz kann ich mich bis heute noch nicht zu dem Glauben durchringen, dass der Hausgeist tatsächlich Schnaps trinkt und dann sogar die leeren Flaschen entsorgt. Stattdessen hege ich eher den Verdacht, dass hier der Opa dem Hausgeist manchmal aushilft...

...Auf dem Lande werden von Zeit zu Zeit noch regelrechte Geisterfeste gefeiert. Ein Geisterfest soll dazu dienen, die Unterstützung der Geister für ein besonderes Vorhaben oder für die Abwendung einer Pechsträhne zu gewinnen oder, um sie für einen besonderen Glücksfall, z. B. einen großen Lotteriegewinn, zu belohnen. Solch ein Geisterfest dauert in der Regel drei Tage. Am ersten Tag werden die gewünschten Geister gerufen. Das sind entweder die Geister verstorbener hervorragender Familienmitglieder oder den Belangen der Familie günstig gesinnte Hausgeister. Eine als Medium ausgesuchte Person setzt sich vor den Hausaltar, bedeckt sich mit einem weißen Tuch und versetzt sich, unterstützt durch die im Halbkreis herumsitzenden Trommler und Beschwörungsformeln singenden Familienmitglieder, in Trance. Wenn das Medium plötzlich...



Glücksspiele (Auszug)

...Man ist aber nicht unbedingt auf die Lotterie angewiesen - für Einfallsreiche gibt es noch genug andere Möglichkeiten, zu wetten. Als ich einmal an einer Baustelle in Bangkok vorbeiging, sah ich, wie sich die halbe Belegschaft, so um die 20 Mann, am Fuße des Gerüstes zusammendrängte und augenscheinlich sehr mit etwas beschäftigt war, was unter dem Gerüst lag. Als ich neugierig näher ging, um herauszufinden, wieviel Mann denn diesmal von dem baufälligen Gerüst gefallen waren, sah ich, daß die ganze Aufmerksamkeit zwei kleinen Käfern galt, die über eine hölzerne Planke krabbelten. Alle hatten darauf gewettet, wer von den beiden als erster das Ende der Bohle erreichen wird...

...Zocken steht unter den Lastern der Thais ganz oben. Obwohl gesetzlich verboten und sogar strafbar, wird überall mit Karten um Geld gespielt: in der Nachbarschaft, auf der Straße und in einer Vielzahl großer und kleiner Spielhöllen. Auch alle anderen Möglichkeiten, sein Glück zu Geld zu machen, werden reichlich angeboten und eifrig genutzt, wie z.B. Hahnenkämpfe, Duelle zwischen extra gezüchteten Kampffischen und natürlich Boxkämpfe. Dabei wird stets leidenschaftlich gezockt...


Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des HELLER VERLAGs! ...