Leseproben

aus dem Roman
Ein Farang schlägt zurück

von Louis Anschel, erschienen im HELLER VERLAG


Leseprobe 1

... Ich packte die Gelegenheit beim Schopfe und stand auf. Tän, die mir gegenüber gesessen hatte, trug wieder ein weißes Kleid. Diesmal schimmerte dem Betrachter pinkfarbene Unterwäsche entgegen. Ihre Garderobe hatte ein System. Tän machte das absichtlich. Sie war relativ hübsch und hatte einen seitlich abstehenden Zahn, den man sehen konnte, wenn sie lachte. Daher hielt sie sich meist die Hand vor den Mund, wenn sie kicherte. Sie stand ebenfalls auf und stakste in hochhackigen Schuhen zum nur wenige Meter entfernten Eingang des Salons. Sie schob die Glastür auf, drehte sich um und sah mich lächelnd an. Ich folgte ihr. Als einziger Kunde durfte ich mir aussuchen, in welcher Kabine ich mich massieren lassen wollte. Ich wählte die letzte, die der Küche am nächsten gelegenen. Tän schaltete die Klimaanlage an und legte eine CD in eine kleine Stereoanlage, die mir erst jetzt auffiel. Meditative Musik erklang. Manfred dachte wirklich an alles, um seine Kundschaft zufrieden zu stellen. Ich hatte es mir auf der Matratze bequem gemacht, als Tän zu mir hereinkrabbelte und den Eingang zur Kabine mit einem pastellgrünen Vorhang verschloss. Sie lächelte.
"Thai oder Öl?" fragte sie.
"Öl."
Tän nahm eine Flasche Babyöl aus einem Korb, der von meiner Position aus gesehen links neben dem Eingang zur Kabine stand. Sie bat mich, mich auszuziehen. Komplett. Weil das Öl klebte, gab sie mir zu verstehen. Ich zog mich aus, sie half mir dabei. Dann begann sie, meine Beine mit Öl einzureiben und mich zu massieren. Eher ein Streicheln, von Massage konnte kaum die Rede sein. Höher und höher ging sie mit ihren Händen, übersprang meine Lenden und gelangte zu Bauch, Brust und Armen. Ich drehte mich schließlich um, damit sie meinen Rücken "massieren" konnte. Die Stunde war noch nicht vorüber, als ich mich wieder auf den Rücken drehte. Täns Lächeln intensivierte sich. Sie rieb wieder meinen Bauch mit Öl ein und ging langsam tiefer.
Tän beugte sich über mich und flüsterte mir "Fünfhundert Trinkgeld" ins Ohr.
Welcher Mann konnte widerstehen, wenn sich ihm eine Frau auf diese Weise anbot? Fünfhundert Baht. Das war doch lächerlich! Meine Gedanken kreisten nicht darum, ob ich den Service in Anspruch nehmen sollte, sondern, ob Som davon erfahren könnte. Tän könnte es Yai erzählen, und Yai war eine gute Freundin von Som. Ich müsste, wenn überhaupt, nur zugeben, dass ich mich hatte massieren lassen. Was sich in der Kabine genau abspielte, war eine Angelegenheit, die nur Tän und mich betraf. Ich könnte es bestreiten und würde davon kommen. Ich könnte Som sogar ein schlechtes Gewissen einreden, indem ich ihr vorwarf, mich nie zu massieren - falls sie mich überhaupt zur Rede stellen sollte, was ich bezweifelte. "Tick Tack", sagte Tän, um mich daran zu erinnern, dass ...


Leseprobe 2

... Mir fiel auf, dass ziemlich viele junge Männer in weißen T-Shirts vor der Telefonzelle standen. Mehrere Motorräder fuhren sehr schnell die Straße entlang, auf ihnen saßen junge Männer in schwarzen T-Shirts. Es ging einige Male hin und her. Eine merkwürdige, nicht greifbare Spannung lag in der Luft. Plötzlich schrie eine Frau mehrere Worte. Ich verstand "Mi bün duäy." Er hat auch eine Pistole. Die Schwarzhemden bahnten sich nun einen Weg zu den Weißhemden vor der Telefonzelle. Einer der Schwarzhemden zog eine Pistole, zielte und schoss. Die Leute schrien und rannten in ihre Häuser. Auch Som. Ihre Tochter wollte das Motorrad der Familie beschützen, das neben der Terrasse parkte, doch ich zog sie von der Maschine weg und brachte sie ins Haus. Dort befahl ich ihr, sich hinzulegen, denn ich hatte Angst vor Querschlägern, die durch eines der Fenster fliegen könnten. All das passierte innerhalb weniger Sekunden. Das war kein Film, das war Realität. Mein Herz pochte vor Aufregung bis zum Hals. Ich saß im Haus auf den Knien, hielt Bu fest, damit sie nicht aufstand, und spähte aus dem Fenster. Der Schütze hatte nicht getroffen. Er zog nun eine Machete und stürmte mit anderen bewaffneten Schwarzhemden auf die Weißhemden zu. Einer der Weißhemden stolperte und fiel hin. Zwei suchten zu Fuß das Weite, ein weiterer versuchte, mit dem Motorrad zu entkommen. Aber in der Aufre-gung konnte er es nicht starten. Daher gab er es auf und rannte weg. Einer der Schwarzhemden hatte nun den auf dem Boden liegenden Jugendlichen erreicht. Er holte aus und ...



Leseprobe 3

... Mit meiner kleinen Reisetasche in der Hand und ohne meine Schuhe auszuziehen, ging ich durch mein Apartment und begutachtete den Schaden. Mein kleiner Rucksack, den ich nach Thailand mitgebracht hatte, lag auf dem Boden. Som hatte ihre Reisetasche unter meinen Rucksack geschoben. Da mein Rucksack nun auf dem Boden lag, fehlte ihre Tasche. Das war das Erste, was ich bemerkte, und damit war bereits alles klar. Ich betrachtete den Schrank, dessen Türen offen standen. Ihre Sachen waren weg. Nur noch meine T-Shirts und Hemden hingen im Schrank. Einige Kleiderbügel lagen auf dem Boden verstreut. Sie musste es sehr eilig gehabt haben. Ich öffnete die Tür zum Badezimmer. Shampoo, Seife und Waschpulver, unseren Einkauf vom Vorabend, hatte sie mitgenommen. Ebenso ihre Zahnbürste. Der letzte Beweis, dass sie nicht mehr zurückkommen würde. Die Zahnpasta hatte sie merkwürdigerweise stehen lassen, und ich fragte mich von nun an jeden Tag, weshalb. Der Klodeckel war hochgeklappt. Som hatte gepinkelt und sich nicht einmal die Zeit genommen, die Spülung zu betätigen. Mein Gott, wie sehr musste sie ...


Leseprobe 4

... Mir bot sich ein Bild der Verwüstung. Nicht nur die Scheiben waren eingeschlagen worden, auch der Laden selbst war betroffen. Die Vorhänge waren von den Stangen gerissen worden, auf dem Linoleumboden und den Matratzen befanden sich Reifenspuren. Eine Buddhastatue war von einem hochhängenden Altar genommen und gegen die Wand geschmettert worden. In der Wand befand sich ein Loch, die Statue selbst war in mehrere Teile zerbrochen. Dao begrüßte mich nicht. Sie stand wortlos neben mir und betrachtete mit mir die Trümmer ihres Lebens. "Das war Thong, mein Thai-Freund", sagte sie schließlich. "Er war wieder betrunken. Er kam her und hat randaliert. Er hat die Vorhänge von den Stangen gerissen. Als ich ihn davon abhalten wollte, hat er mich geschlagen. Dann nahm er die Buddhastatue und hat sie gegen meine Nase geknallt." Sie nahm ihr Taschentuch weg. Ihre angeschwollene Nase blutete immer noch, war aber nicht gebrochen. Vermutlich hatte Thong nicht richtig getroffen. "Wo war deine Leibwächterin?" hörte ich mich sagen. Unter anderen Umständen hätte ich laut losgelacht. "Einkaufen. Er muss darauf gewartet haben. Er hat mich so lange geschlagen, bis ich zu Boden ging. Dann versuchte ich, aus der Tür zu kriechen. Er hat immer wieder zugetreten. Sogar noch auf der Straße." Die Mädchen kamen Dao dann zu Hilfe und zu fünft oder sechst konnten sie Thong bändigen, der verschwand. Aber er kam zurück. Auf seinem nagelneuen Motorrad, das Dao ihm von dem von Richard überwiesenen Geld gekauft hatte. Dass Lak, die Leibwächterin, inzwischen von ihrem Einkauf zurückgekehrt war, kümmerte Thong nicht. Filmreif durchbrach er mit der Maschine die Glasscheiben des Salons und fuhr in den Laden, drehte ein paar Runden um die eigene Achse und fuhr durch die zerbrochenen Fensterscheiben wieder heraus. Ich sah die Fenster, ich sah die Reifenspuren im Laden und trotzdem fiel es mir schwer ...